Zündapp KS 750 mit Seitenwagen im M. 1:9 ein ganz persönliches Projekt

Begonnen von Harald D., 23. Dezember 2023, 21:06

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Harald D.

Nach vielen Jahren habe ich nun endlich die Zeit und die Ausdauer gefunden, den Bausatz von Italeri (früher Esci) der Zündapp KS 750 im M. 1:9 mit Seitenwagen in Angriff zu nehmen.

Der Kit ist ja schon sehr alt. Jedenfalls habe ich ihn 1975 zu meinem 13. Geburtstag von meinem Vater als Geschenk erhalten.
Ich habe ihn dann auch so gut es eben in diesem Alter geht und mit den damals zur Verfügung stehenden Bastelutensilien zusammengebaut. Bemalt hatte ich ihn nicht und im Laufe der Zeit ist das Modell auch verloren gegangen.

Hintergrund von dem Geschenk war natürlich der Umstand, dass mein Vater diese Maschine und auch die BMW im Krieg als Kradmelder gefahren hatte und das Modell damals im Schaufenster eines Spielwarengeschäfts gesehen und sofort gekauft hatte.

Mein alter Herr wurde im Juli 1942 zur Wehrmacht eingezogen und nach der Grundausbildung in Würzburg, Anfang Mai 1943 zur Afrika Flak Abteilung 2 nach Sizilien als Nachschub für das Afrika-Korps in Marsch gesetzt.
Zum Einsatz in Afrika kam er nicht mehr, da inzwischen die Heeresgruppe Afrika kapituliert hatte.
Stattdessen wurde er auf Sizilien als Kradmelder zum Stab der Heeres-Flak-Abteilung 315 versetzt. Aus Resten der 15. Panzerdivision, die aus Afrika entkommen konnten und auf vorhandenem Nachschub wurde dann in Sizilien die 15. Panzergrenadierdivision aufgestellt, der die Heeres-Flak-Abteilung 315 unterstellt und angegliedert wurde.

Im Zuge der nachfolgenden Kämpfe, musste mein Vater dann an den Kämpfen um Sizilien, die Landung der Alliierten in Italien, den Kampf um Monte Cassino und an dem anschließenden Rückzug nach Mittelitalien teilnehmen.

In dieser Zeit sind auch die beiden unten angeführten Fotos mit seiner Zündapp aufgenommen worden, die ich vor Kurzem nebst Wehrpass bei einer Aufräumaktion gefunden habe.
Eins der Fotos trägt auf der Rückseite den handschriftlichen Vermerk meiner Großeltern
,,Mai 1944 unser geliebter Sohn".
Diese Fotos habe ich also als Vorlage für den Nachbau aus dem Bausatz genommen.

Nach den Kämpfen in Italien landete mein Vater dann an der Westfront und ,,durfte" dort an den Abwehrkämpfen in Ostfrankreich, der Ardennenoffensive und zuletzt an den Abwehrkämpfen in Nordwestdeutschland teilnehmen.

Bis kurz vor Kriegsende hatte er es geschafft, ohne größere Verletzung den Krieg zu überstehen. In der letzten Kriegswoche in der Nähe von Bremerhaven hat dann doch noch das Schicksal in Form einer deutschen Mine zugeschlagen, auf die er mit seiner heißgeliebten Maschine gefahren ist.

Dabei hatte er noch Glück und hat ,,nur" den rechten Vorderfuß, den linken Daumen verloren und zahlreiche Splitter in beide Arme und Beine abbekommen.

Als schwer kriegsversehrter hat es nach dem Krieg trotzdem nicht lange gedauert und er hatte sich wieder eine zivile Zündapp mit Beiwagen gekauft.

Würde er noch leben, würde er Morgen am Heiligen Abend 100 Jahre alt werden.
Dieser Umstand war eigentlich der ausschlaggebende Grund mich nochmal und diesmal richtig mit dem Modell zu beschäftigen.




Mein alter Herr auf seiner geliebten Zündapp. Auf der Rückseite des Fotos befindet sich ein handschriftlicher Vermerk meiner Großeltern: "Unser geliebter Sohn Italien 1944"





Der bekannte, mittlerweile um die 50 Jahre alte, Bausatz der Zündapp KS 750 mit Beiwagen, der ursprünglich von ESCI und jetzt in neuer Schachtel (aber mit den alten Teilen) von Italeri vertrieben wird.




Um es gleich vorweg zu sagen, der Bausatz ist nichts für Anfänger. Noch nicht mal wegen der Komplexität der überschaubaren Teileanzahl.
Das Problem ist dem Umstand geschuldet, dass man sich in all den Jahren nicht die Mühe gemacht hat, die Teile und vor allem die Bauanleitung zu überarbeiten.

So ist zum Beispiel die beigelegte Verkabelung und die Bowdenzüge viel zu dick. Rechnet man den Maßstab hoch, dann hätten sie einen Querschnitt von über 5,00 cm.
Das geht natürlich gar nicht.
Das nächste erhebliche Problem ist die Bauanleitung. Die dort vorgegebene Verkabelung ist völliger Quatsch. Um hier genau zu sein bedarf es umfangreicher Recherche in Literatur und im Net.
Ich habe im Internet einen Händler gefunden, der aufgearbeitete Originalmaschinen restauriert und verkauft. Diesen habe ich angeschrieben und in überaus freundlicher Weise von ihm zahlreiche Hilfe und Planunterlagen erhalten.

Dabei ist mir dann aufgefallen (leider etwas spät, ich hatte das Modell schon fast fertig und lackiert), daß mein Vater eine spätere Version der Zündapp, mit z.B. anderen Zylinderköpfen, als der im Bausatz dargestellten Version gefahren hat.

Ein positives Merkmal des Bausatzes ist, daß trotz dem Alter der Formen die Teile sehr sauber gegossen sind.
So gibt es fast keine Fischhäute, die Passgenauigkeit ist gut und es gibt keine Auswerfermarken (wie haben die das damals bloß gemacht, ich hatte jüngst ein Academy Modell, wo auf gefühlt jedem Teil, mindestens eine sichtbare Auswurfmarke war).










Die Teile passen gut zusammen und die Spachtelarbeiten halten sich in Grenzen.







Der fertige Motorblock. Im Rohbau und lackiert bzw. mit der TRue Metal Paste von AK beschichtet (ich schwöre auf das Zeugs, sieht wirklich wie Metall aus und lässt sich auch polieren).







Die für das Chipping mit "Rostschutzfarbe" grundierte Teile







Der fertig lackierte Rahmen und der Beiwagen.
Und erst jetzt habe ich festgestellt, dass ich eine völlig falsche Version baue als die Maschine meines Vaters auf den Fotos.  :grrger:

Auf dem unteren Foto sind einige der falschen bzw. Zusatz Teile zu erkennen.

Also mußte ich schweren Herzens die Maschine wieder zerlegen. Bei einem fertig zusammengebauten und lackierten Modell, eine heftige Herausforderung. Man möchte ja nichts beschädigen.

Um die richtige Version bauen zu können, brauchte ich neue Zylinderköpfe, einen Wirbel-Luft-Filter, vorne große Nabenschrauben, einen Tarnvorsatz mit zahlreichen Lamellenschlitzen für den Scheinwerfer, Flügelschrauben und, und, und...

Also zunächst alle benötigten Teile anhand von Fotos und Skizzen an der CAD nachzeichnen und dann im SLA Druck ausdrucken. Das hat länger gedauert, als der gesamte Bau des Bausatzes bis dahin.







Auf den Fotos von links nach rechts die neuen selbstgedruckten Teile (einmal im Rohzustand direkt aus dem Drucker und dann die fertig bemalten, zum Einbau vorgesehenen Teile) Tarnblende für Scheinwerfer, Linker und rechter Zylinderkopf (darunter der Originale aus dem Bausatz), der Wirbel-Luft-Filter, Flügel- und längere Nabenschrauben.


Zusätzlich mußten die Kniepolster aus dem Bausatzmodell entfernt und die Löcher verspachtelt und verschliffen werden.
Für die Verkabelung habe ich übrigens elastische Gummifäden aus dem Schmuckbedarf mit 0,5 mm verwendet.

Und hier ist sie nun,  die Maschine meines Vaters.
Präsentiert auf einem aus einer Buchenplatte hergestellten Sockel und mit Beschriftungsschild (ich weiß noch gar nicht wo ich das Teil einmal aufstellen soll. So eine große Vitrine habe ich gar nicht).







Obwohl ich mir die größte Mühe gegeben habe, ist es mir nicht gelungen das Modell pünktlich zum 100. Geburtstag meines Vaters fertigzustellen.
Es fehlt noch die Verschmutzung, das Terrain, und die Verglasung.

Ich habe also noch die eine oder andere Stunde Arbeit daran vor mir.

Einstweilen verabschiede ich mich in den anderen Weihnachtsstress und wünsche euch allen ein fröhliches Weihnachtsfest und ein hoffentlich glückliches und friedvolleres neues Jahr 2024  :10:






Grüße von Harald

eydumpfbacke

Gruß
Reinhart

Exercitatio potest omnia

Rambazanella

Ich bin einfach nur sprachlos und restlos begeistert im Augenblick.  :22:

Horrido!

richtfunker

#3
Servus Harald,

bin begeistert! Und eine tolle Geschichte.

Auf dem Weg runter nach Österreich (von meinem Zuhause aus nicht sooo weit weg), sind wir in Tittmoning zum Mittagessen stehengeblieben. Und da stand zufällig ein solches Zündapp-Gespann, schräg gegenüber vom Königlich Bayrischen Amtsgericht! Mit dem Restaurateur bin ich kurz ins Gespräch gekommen, der war aus Kirchanschöring. Ich wollte schon immer so ein Gespann besitzen, allerdings fehlt mir dafür das nötige Kleingeld.

Lustigerweise hatte ich vor Kurzem auch was mit Esci 1:9 aus dieser Zeit zu tun, bei mir gibt es aber leider keinen familiären Bezug zum Original. Als Jugendlicher hat mir mein französischer Onkel ein Kettenkrad von Esci gekauft, und sich selber auch eins. Wir haben es beide gebaut, seines viel sauberer, obwohl er kein Modellbauer ist. Das Lackieren wollte er mir überlassen, und so hat er mir das Modell fertig gebaut übergeben. Der Motor war noch nicht eingebaut und auch nicht die Gabel. Außerdem diverse Anbauteile.

Nach ein paar Jahren Untätigkeit - er war schon ein bisschen säuerlich - wollte ich dann doch mal mit der Lackierung beginnen, da fiel mir auf, dass er mir weder Bauanleitung noch Decalbogen gegeben hatte. Beides konnte er nirgends mehr finden. Die Bauanleitung konnte ich mir noch besorgen: ein freundlicher Verkäufer bei einem leider nicht mehr existierenden Spielwarenhändler in Regensburg hat mir die Anleitung geliehen und ich konnte sie in einem Copy-Shop kopieren. War da noch das Problem mit den Decals, also wurde das Projekt wieder auf Eis gelegt.

Fast Forward ca. 35 Jahre später (2014 hatte ich das Hobby wieder aufgenommen), habe ich mich dann doch zusammengerissen und das Modell aus der Versenkung geholt. Über den Vertrieb von Revell habe ich mir den Decalbogen besorgt, war absolut problemlos. Das Lackieren hat großen Spaß gemacht, allerdings war der Farbverbrauch bei einem so großen Modell enorm. Und so konnte ich meinem Onkel das Modell doch noch übergeben, nach einer "kleinenÄ Verzögerung.




Auch ich schwöre auf die Pasten von AK True Metal.
Viele Grüße
Christoph

richtfunker

Viele Grüße
Christoph

Steffen K.

wow, .... was für ein tolles Modell mit einer bewegenden Geschichte. 

Die Zündapp sieht richtig klasse aus und die Präsentation auf der Base
mit dem Bild von deinem Vater ist ein echter Hingucker. Toll gemacht.   :gut: :gut:

Dankeschön fürs zeigen    :5:
"Schöne Grüsse aus der Westpfalz"

Trucker Flo

Hallo Harald,

ein sehr schönes Modell mit einer bewegenden Geschichte.

Details kommen ja noch,  wie du sagst.

Die Präsentation ist gelungen.

VG Flo
- Fast 8 Milliarden Menschen, doch die Menschlichkeit fehlt -

Trucker Flo

#7
Hallo richtfunker,

Dein Kettenkrad schaut klasse aus!!!

Schöne Feiertage,  VG Flo
- Fast 8 Milliarden Menschen, doch die Menschlichkeit fehlt -

Artur91


Rafael Neumann

Klasse geworden, und die Geschichte dahinter macht es noch einmal spannender.  :gut:

Schöne Grüße
Rafael
Wenn ich mal sterbe, hoffe ich, dass meine Frau die Bausätze nicht zu den Preisen verkauft, die ich Ihr genannt habe ...